Sophie & Laura - erschienen am 27. März 2014 Roman 2014 Eine Familiengeschichte Orte und Zeit: etwa 1987 bis 2013; München und Landkreis Neumarkt i.d.OPf. - Freystadt, Neumarkt… 286 Seiten - Textumfang ca. 76.000 Wörter Spielberg Verlag Regensburg ISBN 978-3-95452-645-1 12,90 Euro Der Roman kann in jeder Buchhandlung erhalten oder bei mehreren Internetanbietern bezogen werden oder beim Autor vor Ort gekauft oder bei ihm zu bestellt werden - Versand vom Autor mit Portoaufschlag. Zum Inhalt Ein heftiges Sommergewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag reißt Sophie aus dem Schlaf. Die Schäden, die es an der Villa und im parkähnlichen Garten hinterließ, und die Vorhersage weiterer Unwetter lassen sie in Rat- und Tatenlosigkeit erstarren. Doch die Männer vor der Tür, die während dieser Tage in München Straßenarbeiten ausführen, kommen Sophie zu Hilfe. Fritz ist einer von ihnen. Er und Sophie verlieben sich. Neun Monate danach bringt sie Laura zur Welt. Das heizt den schwelenden Streit um das Familienerbe - die Villa, die Gemälde, die Antiquitäten - zwischen Sophie und ihren Brüdern weiter an. Fritz, den Sophie Friedel nennt, erfährt nicht, dass er mit ihr eine Tochter hat. Das wird auch beim Standesamt nicht aktenkundig. Zwanzig Jahre später brechen Sophie und Laura zu einer Reise in die Oberpfalz auf. Denn dort ist Friedel, ein verheirateter Nebenerwerbslandwirt, zu Hause. Seinen Brief, den sie Jahre davor erhalten, doch nicht beantwortet hat, verschweigt sie ihrer Tochter nach wie vor. Laura weiß nicht, dass sich ihr Vater von seiner Ehefrau trennen wollte, um mit ihrer Mutter in München zu leben. Sophie und Laura kommen in dem Dorf in der westlichen Oberpfalz an, und eine Überraschung jagt die andere. Man hält den Atem an. Die Leserin und Autorin Maja Kelz schrieb: Hallo Herr Regensburger. Sie können schreiben!!! Ihr Buch hatte ich in zwei Tagen gelesen - alle Arbeit musste hintanstehen. Die Geschichte ist in Inhalt und literarisch wunderbar erzählt. Hat Ihr Verlag Ihnen auch einen Platz in Leipzig und Frankfurt reserviert? In Nürnberg sollten Sie sich zum Lesen im Literaturhaus bewerben; auch bei Riedner in Altdorf. Beide Örtlichkeiten sind immer prallvoll besucht, und gekauft wird ordentlich. Herzliche Grüße und einen wunderschönen, wenn auch heute nebligen, Tag, Maja Kelz Wolfgang Fellner, Lokalredakteur der Neumarkter Nachrichten, schreibt über den Roman: Gegensätze Stadt und Land FREYSTADT  - Es ist ein großes Panorama, das Hans Regensburger im neuen Roman aufspannt: Es geht um die Gegensätze zwischen Stadt und Land, zwischen reich und arm. Bei "Freystadt liest" bekamen die Zuhörer einen ersten Eindruck aus dem Roman, der derzeit im Entstehen ist. Die ersten drei Kapitel gab es zu hören und Hans Regensburger wurde nicht entlassen von den Zuhörern ohne die Zusage, bald die letzten drei Kapitel des Buches nachzuliefern. Dazu erklärte sich der Mörsdorfer gerne bereit; allerdings bat er noch um etwas Zeit: "Nächstes Jahr um dieselbe Zeit könnten wir es machen", verabschiedete er sich lächelnd. Denn: Es sei nicht so einfach, die Vorlage, die er sich ausgedacht habe, auszuformulieren. Nachts, wenn alles zur Ruhe kommt, bastelt er an den vielen Details seiner Figuren, an der Handlung, an den Verästelungen derselben, an den Geschehnissen. Der Recherche bedarf es auch, alles soll stimmig sein. Autobiografisch sei da nichts, winkt er lachend ab, aber: Natürlich sind es seine Erfahrungen und Erlebnisse, die auch Eingang finden. Beispielsweise seine Zeit als junger Mann in München, als er als Metzger in einem Betrieb in einem recht vornehmen Viertel beschäftigt war; "die kamen nicht zum Einkaufen, da haben wir ins Haus geliefert", sagt Regensburger. Da sah er mitten in der Großstadt Grundstücke, die einen Hektar groß waren, mit Villen und mehr. So etwas kann dann schon in den Roman einfließen - im aktuellen ist es geschehen.  Der grobe Rahmen: Regensburger, selbst Nebenerwerbslandwirt, wollte die sozialen Verwerfungen aufzeigen, die ein Leben zwischen Land und Stadt auslösen kann. Hauptdarsteller sind Sophie und Friedrich: sie Tochter aus reichem Haus, die aber um ihr Erbe kämpfen muss, er Landwirt aus der Oberpfalz, der, um die Familie durchzubringen, als Bauarbeiter in der Landeshauptstadt unterwegs ist. Die Passagen, die in Friedrichs Heimat spielen, diese Freiheit gönnt sich der Autor, spielen in Freystadt und Mörsdorf, auch wenn Mörsdorf im Roman nicht Mörsdorf ist und auch anders aussieht. Detailliert und genau zeichnet Regensburger seine Figuren, lässt die Handlung langsam anlaufen. Ein vielversprechender Einstieg. Leseprobe 2. Kapitel Sophie konnte sich nicht entschließen, das Rollo hochzuziehen. Sie war in der Nacht von einem Gewitter wach  geworden. Instinktiv hatte sie im Stockfinstern am Nachttisch ihre Brille ertastet und sie sich aufgesetzt. Doch als sie  ihre Nachtischlampe anknipsen wollte, war diese genauso dunkel geblieben wie danach die große Schlafzimmerlampe  und das Licht im Flur. Dort, vor ihrer Schlafzimmertür, winselte Ron. Als sie in sein weiches Fell greifen konnte und  seine feuchte Schnauze spürte, war sie erleichtert. Obwohl er ihr nicht mehr von der Seite gewichen war, hatte sie sich  auf der Treppe am linken Fuß den großen Zeh angestoßen. Ein Schrei war ihr entfahren, und Ron hatte versucht,  Sophies Fuß zu lecken.   Auch im Parterre knipste sie vergeblich an den Lichtschaltern. Auf dem Flügel im Wohnzimmer wusste sie den  schweren Silberleuchter mit einer Kerze. Auf dem Weg dorthin konnte sie am Sims über der Kachelofenfeuerung eine  Schachtel Streichhölzer ertasten. »Wenigstens darauf ist Verlass, obwohl Sommer ist«, hatte sie aufgeatmet und die  Schachtel zwischen ihre Lippen geklemmt, um für den Leuchter und die Kerze beide Hände frei zu haben. Beim  Entfachen der Kerze erschrak Ron. Als er sich wieder beruhigt hatte, war er im Schein des Kerzenlichts Sophie in die  Küche gefolgt. Dort meldete sich in deren großem Zeh wieder der Schmerz. Mit beiden Händen zog Sophie ihren  linken Fuß auf den Stuhl, den sie sich mittlerweile zurechtgerückt hatte, lehnte und entspannte dieses Bein an der  Tischkante und massierte mit ihrer linken Hand den schmerzenden Zeh. Mit ihrer Rechten konnte sie nun nach Ron  greifen, der auf den Stuhl rechts von ihr gesprungen war und seinen Kopf auf Sophies rechten Oberschenkel gelegt  hatte.  Obwohl sie ab und an auf die Uhr an der Wand geschaut hatte, erfasste sie nicht, wie lange sie bereits vor der Kerze  saß. Zwar hatte Sophie in diesen langen Stunden immer wieder einmal erwogen, sich von ihrem Stuhl zu erheben,  erneut auf einen Lichtschalter zu drücken oder auf den Knopf des Küchenradios zu tippen, um festzustellen, ob es  mittlerweile wieder Strom gab, doch sie hatte es ein ums andere Mal aufgeschoben. Längst hätte sie ihren  Morgenmantel und Pyjama sowie ihre Barfüßigkeit gegen Unterwäsche, Socken, Jeans, Bluse, Pullover und Schuhe  tauschen können. Doch sie hatte keine Hand frei. In dieser Untätigkeit wollte sie so lange verharren, bis die Kerze  heruntergebrannt war. Obschon das Telefon, das sie neben sich auf den Tisch gestellt hatte, wie eine jungfräuliche  Tafel ihrer Lieblingsschokolade lockte, rief sie weder ihre Mutter noch die Feuerwehr an. Nur einen weiteren Blick auf  die Uhr erlaubte sie sich. Es war bald fünf. Nun erwog sie, zum Fenster zu gehen und das Rollo hochzuziehen, um  das Licht der Frühe hereinzulassen. Doch erneut konnte sie sich dazu nicht aufraffen. Sophie erinnerte sich, dass  dieses Morgenlicht schon oftmals ihre Laune verändert hatte. Diese besondere Heiterkeit schien sich in ihrem Gesicht  gespiegelt zu haben, sonst wäre sie im Ministerium nicht jedes Mal von ihrer Sekretärin darauf angesprochen und  nicht selten darum beneidet worden. Doch was in der Nacht – wovon sie aus dem Schlaf gerissen wurde – von  draußen neben dem Donnern, Blitzen, Fetzen, Fauchen an beängstigenden Geräuschen zu ihr gedrungen war, schien  sie zur Tatenlosigkeit verdammt zu haben. Es nährte seitdem ihre schlimmsten Befürchtungen. Jenes Krachen,  Knacken, Peitschen aus dem Park hatte sie noch immer in Ohr. Plötzlich ertönte die Hausglocke. »Tatsächlich wieder  Strom«, murmelte sie vor sich hin. Sophie fuhr hoch. Ihr linkes Bein war eingeschlafen. Mit ihm verhedderte sie sich  am Telefonkabel, das vom Tisch hing und am Boden zur Steckdose an der Wand führte. Bevor der Apparat vom Tisch  stürzen konnte, kriegte sie ihn zu fassen. »Im letzten Augenblick. Gott sei Dank!«, atmete Sophie auf. Auf dem  weiteren Weg zur Tür musste sie sich mit der Linken am Küchenbüffet aufstützen und mit ihr an der Wand Halt  suchen, um nicht umzuknicken. »Wer kann das sein? Hoffentlich nicht die Feuerwehr, die Polizei! Bereits sieben – o  Gott!« Sie knipste das Licht in der Küche an und blies die Kerze aus. Ron wich nicht von ihrer Seite, auch nicht, als sie  die Küchentür öffnete und in den Flur humpelte. Dort fiel das Tageslicht herein; es kam durch die Oberlichte der  breiten, wuchtigen Eichentür, die ihr Vater entworfen hatte. An ihr steckte der Schlüssel. Sophie schloss auf und  öffnete. Jener Mann vom Bautrupp, den sie am Freitag mit dem Opernglas beobachtet hatte, stand am Fuß des  rechten Flügels der Freitreppe. Sophie konnte über seinen Scheitel hinwegblicken. Robinson, ihr Kater, strich um  dessen Beine; eigentlich um die Sicherheitsschuhe und die Hosenbeine von dessen dunkelgrauer Arbeitshose. In der  Linken hielt der Mann einen gelben Bauhelm.   »Gu Morng, entschuldigen Sie die Störung, doch Ihr Park… Ich glaub, am Freitoch hat er nu besser ausgsehn«,  bedauerte der Mann mit einem vagen Lächeln um den Mund.   »O Gott, ich bin noch nicht mal angezogen, und mein Bein, es ist mir eingeschlafen!«, klagte Sophie. Der Mann  errötete und fügte unsicher hinzu: »Entschuldigen Sie nochmals, doch ich brauche Ihre Erlaubnis.«  »Meine Erlaubnis?«  »Sie sind doch die Eigentümerin des Anwesens – hier?«  »Ja, na ja, doch – eigentlich schon!«, entpuppte sich Sophie als Spielball ihrer Ratlosigkeit.  »Wir wolln ufanga – Sie wissn schouh: Termine! Doch die drei Baijm, der Zaun…« »Ist´s so schlimm?« »A wo!« »In drei Minuten bin ich draußen bei Ihnen!«   Ihres Pyjamas hatte sich Sophie wenige Sekunden später entledigt. Kaum länger brauchte sie zum Zähneputzen und  Waschen des Gesichts. Im Nu war sie auch in ihre Unterwäsche, in ihre blaue Lieblingsjeans geschlüpft, hatte sich  nicht minder rasch für eine ihrer dunklen Blusen, für ihren ziegelroten Pullover sowie ihre hellbraunen Allzweckschuhe  entschieden. Mit Vorliebe trug sie diese Sachen im Haus und draußen im Park. So gekleidet hörte sie nicht einmal von  ihrer Mutter ein kritisches Wort. So konnte sie jederzeit vor die Tür und zu Fuß in der Bäckerei am Romanplatz und der  Metzgerei in der Hirschgartenallee einkaufen oder mit dem Auto zum Supermarkt fahren, um größere Anschaffungen  zu tätigen. Doch dann warf sie einen Blick in den Spiegel. »O Gott, wie ich aussehe – schrecklich!«  Während sie sich schminkte, fragte sie sich, warum sie sich schminke. »Werde ich etwa in einen meiner Hosenanzüge schlüpfen oder eins meiner Kostüme anziehen, weil´s zur Arbeit ins Ministerium geht, um damit meiner  Unscheinbarkeit, die mir Mutter attestiert, Paroli zu bieten?« Dazu gehörte, dass sie auch noch zu einem ihrer  Parfumflakons griff und sich betupfte. Das wollte sie an diesem frühen Morgen unterlassen. »Auf jeden Fall!«, betonte  sie. Doch auf dem Weg aus dem Bad machte sie kehrt und betupfte kopfschüttelnd rechts und links ihren Hals und  ihre Bluse oberhalb der Brust mit Parfum, wobei sie den V-Ausschnitt ihres Pullovers lupfte. »Tue ich das, um den  Anblick des Chaos im Park hinauszuzögern?« Sie ließ diese Frage unbeantwortet. Trotzdem machte sie sich auf den  Weg dorthin. Ron wartete an der Haustür. Er blickte zu ihr hinauf und maulte. Sophie kehrte um. Der Hund folgte ihr.  Zurück im Bad wollte sie im Spiegelschrank nach ihrem Abschminkwasser greifen. Aber Sophie fand es in den Reihen  der Fläschchen, Tuben und Döschen nicht. Trotzdem zweifelte sie nicht daran, dass sie mit der Nase darauf stoßen  konnte. Sie schlug den Schrank zu und griff zum Waschlappen. Doch erst, als sie fest aufdrückte, zeigten sich in ihm  Spuren des Make-up. Nun lief ihr Gesicht glut-rot an. »O nein!«, haderte sie mit sich. »Mach ich das wegen ihm oder  will ich mich nur vor dem Anblick des Chaos draußen im Park drücken?« Dagegen setzte sie, ohne dass sie es wollte,  sein »A wo!«. Sie wusste, dass es nur eine Floskel war, um sie zu beruhigen. Doch sie schenkte ihr Glauben, obwohl  sie wollte, dass ihr dieses »A wo.« keinen Gedanken wert wäre. Erneut begann sie sich zu schminken. Endlich machte  sich in ihr Zufriedenheit breit, und Sophie ging mit Ron in den Park. Auf dem Gehsteig hörte sie eine Schar Männer  plaudern. Dann erst wagte sie nach rechts zu blicken und sah die Verwüstung, die der Gewittersturm dort hinterlassen  hatte. »O Gott, Mutter wird der Schlag treffen!«, durchfuhr es sie. »Ausgerechnet ihre drei Lieblingsbäume. Doch  meine Linde hat wie durch ein Wunder standgehalten.« Sophies Ziel war das Parktor. Es zu durchqueren, verhieß ihr,  auch den Capo zu treffen. Zigarettenrauch schwadete zu ihr herüber. Und sie wollte sagen: »Nun hat es doch etwas  länger gedauert.« Doch sie konnte den Mann, jenen Mann, den sie fortwährend im Kopf hatte, weder in der Gruppe  der plaudernden und rauchenden Arbeiter entdecken noch entlang der Nibelungenstraße, wohin ihr Auge sich stahl.  Nun sprachen die Blicke der Bauarbeiter davon, wonach die ihrigen suchten. Denn einer von ihnen sagte: »I bin d  Hans. D Fritz – unser Capo – hat schnell af a andre Bauschtö gmyjsst.« Sophie wäre am liebsten ins Haus  zurückgerannt, hätte sich auf ihr Bett schmeißen und heulen wollen. Da kam einer von den anderen Arbeitern auf sie  zu. Er erweckte den Anschein, als wollte er ihr etwas sagen; doch stattdessen griff er nach einer Schaufel, die an  einem der Bäume lehnte; sie beschatteten streckenweise den Gehsteig und die Straße. Dann vernahm Sophie von  Hans, dass er sie im Auftrag des Capos fragen solle, ob sie ihnen erlaube, ihren Park zu betreten. »Dies wah am  gscheitastn. Dann kanntn wir nemli die drei Baijm dao oseng, die d Sturm umgschmissn hoat, und sie mit de Krona,  die am Gehsteig liegn, af Ihr Grundstück rucka.«   »Tatsächlich, ja!«, erwiderte Sophie. »Das Stück Zaun ist eh beim Teifü. Wir legn Ihnen dieses vbogne Element in den Park und schlong a poor Breder dru.  Dann kinna S es dweil richten lassn. Des moant d Fritz – d Capo.«  »Sie werden es schon richtig machen, denke ich«, sagte Sophie mit erstickter Stimme. Sie wandte sich um und wollte  endlich zurück in die Villa. Dabei vergewisserte sich Hans: »Sie gem uns also die Erlaubnis, dass wir in Ihren Park  kinna und dies dann su macha?«  »Ja, ja!«, erwiderte Sophie.   »Sie sehn dann schouh, wenn ma fertig san«, meinte Hans.   Sophie kehrte ins Haus zurück. Dort eilte sie schnurstracks ins Bad. Was sie im Spiegel erblickte: War das sie, ihr  Gesicht? Das Kopfschütteln, das sie sah, es würde zweifelsohne zu ihr gehören, dachte sie. Über dem Rand des  Waschbeckens hing der Waschlappen, mit dem sie sich vor nicht einmal einer Viertelstunde die Schminke aus dem  Gesicht gerubbelt hatte. »Nicht einmal ausge-waschen hab ich ihn.« Das holte sie nun nach. Mit einer Mischung aus  Weinerlichkeit und Wut wischte und rieb sie sich abermals die Schminke aus dem Gesicht. Es lief krebsrot an. Sophie   fragte sich, weswegen sie nicht den Spiegel zertrümmere, in dem sie das erblicke; die Badtür eintrete; die nächste  Person anspucke, die draußen ihren Weg kreuze. Solche Verrücktheiten würden ihr nie und nimmer unterlaufen; das  wusste sie. Doch in diesem Augenblick war sie keineswegs stolz darauf; ihr Anstand erschien ihr lästig. »Das hab ich nun davon. So kann ich nicht einmal zum Metzger und Bäcker, um ihnen eine Brotzeit zu holen, ja«,  schimpfte sie mit sich. »Ich bin so … eine Idiotin!« Diese abschätzige Selbstbezichtigung, an die sie nicht glaubte,  schien für jeden Gedanken zu stehen, der ihr in diesen Minuten zuflog. Wehrlos war sie gegen diese Zudringlichkeiten  aus sich selbst, mit denen sie sich fortwährend ertappte. Warum ging in ihr plötzlich die Frage vor, ob Fritz einen  Ehering trage. »Ich hätte darauf achten sollen, ja«, sagte sie sich. »Doch trägt man auf dem Bau überhaupt einen  Ring? Könnte das nicht bei der Arbeit gefährlich werden? Warum lasse ich es zu, dass ich ihn mit ›Fritz‹ konkretisiere?  Wenn, möchte ich ›Friedel‹ zu ihm sagen! O nein!« erwiderte sie ihrem Spiegelbild und schrie es an. Vor der Tür hörte  sie Rons verhaltenen Beller. »Wenn ich den nicht hätte?!«, dachte sie und mit einem Schmunzeln um den Mund ging  sie zu ihm. »Komm Ron lief ins Wohnzimmer voraus. Vom Park drangen das Knattern und Heulen von Motorsägen  zu ihr, ab und an auch das laute, eintönige Brummen eines Baggers. Mit einem Blick aus dem Fenster hätte sie das  Bild, das diese Geräusche ihr zutrugen, auf seine Richtigkeit überprüfen können. Doch sie widerstand dieser  Versuchung, die sie mehr beängstigend als drängend in sich spürte. Auf dem Sofa liegend suchte ihre Rechte nach  Ron, der sich auf den Teppich gelegt hatte. Da Sophie nicht sofort den Hund ertastete, drehte sie sich auf die Seite. Der  Border-Collie lag unter dem Couchtisch. Er war mehr als einen Meter von ihr entfernt. »Na, komm schon!« Ron blickte  auf, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Nach einer Weile legte er seinen Kopf wieder zwischen die Vorderpfoten.  »Bist du eifersüchtig, Ron?« Kein Laut entwich ihm.   ... Sie wollte ihren Blick abwenden, die Augen schließen und doch schauen; – die zersplitterten Dachlatten, die aus  ihren Verzapfungen gerissenen Balken, die ramponierten Dächer, die entwurzelten Bäume, den beschädigten Zaun  sehen und doch nicht sehen; diesen gespenstischen Anblick als bösen Traum entlarven. »Das ist ja entsetzlich«,  keuchte sie mit tränenerstickter Stimme. Sie rannte zurück ins Haus. Um nicht das Opfer eines Nervenzusammenbruchs zu werden, musste sie etwas tun und  rief jene Maurer-, Dachdecker- und Gartenbaubetriebe an, die schon ihr Vater mit Arbeiten beauftragt hatte. Man  vertröstete sie auf die nächste, wenn nicht die übernächste Woche. Dann versuchte sie ihr Glück bei der Feuerwehr  und hörte, man wolle in einigen Tagen die Schäden provisorisch mit Planen abdecken. Sophie war verzweifelt. Sie  blickte auf die Uhr. »Bald neun«, sagte sie vor sich hin und schaltete in der Küche das Radio ein. Der Wetterbericht  meldete bereits für Donnerstag wieder Gewitter und Starkregen. Sie wunderte sich, dass ihre Mutter noch nicht  angerufen hatte. »Ihr entgeht keine Nachrichtensendung. Vielleicht war es diesmal anders. Ich wüsste nicht, wie ich ihr  diese schlimmen Schäden verheimlichen oder erklären könnte.« Erneut ging sie nach draußen. Beim Anblick des  Durcheinanders weinte sie abermals. Plötzlich stand der Capo vor ihr. Wie aus dem Nichts war er vor ihr aufgetaucht.  In den letzten Minuten hatte sie nicht mehr an ihn gedacht. Nun wurde sie für Augenblicke von purer Verzweiflung   beherrscht. Vor allem, weil er sie in diesem Zustand überraschte – sie weinen sah. Doch kaum weniger, weil sie sich  ihm in all ihrer Unscheinbarkeit ausgeliefert glaubte. »Ich dumme Kuh, warum hab ich mich abgeschminkt, warum  nur?« Dann begann er zu reden, und sie fühlte sich besser. »Schlimmer als ich zunächst dachte«, sagte er im  Unterton einer Herausforderung. Sophie hing an seinen Lippen und brachte kein Wort heraus. »Die Schäden sind  nicht allgemein, sondern vereinzelt wie hintupft – dao amal und dao amal. Der Strom war auch länger weg, ho i ghört.  Beim Umspannwerk draußen solln wie hier die Fetzen gflung seij«, erzählte der Capo. »Er hatte hier freie Bahn, der  Sturm; in der ganzen Umgebung nur hier; wahrscheinlich eine Windhose von  vierzig, fünfzig Metern Breite«, erklärte  der Capo und schilderte im selben Atemzug mit seinen Händen und Armen den Zug des Unwetters von Westen nach  Osten. »Ich muss mich noch bei Ihnen bedanken!«, fuhr er fort. »Hätten Sie uns nicht in Ihren Park gelassen, hätten  wir wahrscheinlich erst morgen draußen mit dem Ausheben des nächsten Teilstücks beginnen können. Vielleicht  können wir uns revanchieren?« Sophie war verblüfft. »Revanchieren?«, dachte sie und ihre Wortlosigkeit gab  gleichzeitig ihre Verwirrtheit und Ratlosigkeit wider. »Vielleicht können wir ja etwas für Sie tun.« Während der Capo  das sagte, streifte sein Blick die Verwüstung im Park und an den Gebäuden. Sophie nickte. In ihrer Verlegenheit  lächelte sie zaghaft. Das bemerkte der Capo. »Schwül ist´s wieder geworden, und diese stechende Sonne verheißt  nichts Gutes. Übrigens, Fink, Friedrich.« Während er das sagte, streckte er ihr seine Rechte hin. Sophie glaubte in ihrer Hand etwas unglaublich Zupackendes und Vertrauenswürdiges zu spüren. Nach einer Weile erwiderte sie: »Sophie  Reischl.« Dabei errötete sie und fügte hinzu: »Es ist tatsächlich sehr schwül. Und ich hab einen Pullover an –  wahrscheinlich vor Aufregung.« Der Capo lächelte, zuckte ansatzweise die Achseln, räkelte ein wenig mit den  Schultern und zog an seiner Zigarette. »Wenn Sie Hilfe brauchen, dann…«, erklärte er; und seine Handbewegungen,  die er dabei gebrauchte, schienen die Schäden in ein Paket zu schnüren.   »Sie könnten das tatsächlich…?« ...  3. Kapitel Doch Sophie erschrak über das, was sie gesagt hatte. »O Gott, ich personifizierte Unromantik! Warum falle ich ihm ins  Wort und sage so etwas und nicht das, woran ich ihn am Aussprechen gehindert habe? Mir ist nicht zu helfen!«, ging  sie mit sich ins Gericht und hoffte, dass er nun seinen Satz zu Ende bringen würde. Doch der Capo schwieg. Plötzlich  nahm er ihre Rechte, die sie intuitiv fächerte, und führte sie an seine linke Brust.